Story
Ha! Sitzt du schon? Nein? Mach’s dir bequem und nimm ein Glas Wein zur Hand. Das wird jetzt eine längere und schöne Geschichte …
Als ich die Arbeiten an Lost At Sea begann, befanden wir uns mitten im tiefsten Corona Lockdown. Mein erster Griff bei neuen Songs geht ja immer zum Telefon, Harry Lange anrufen. So auch diesmal. Harry meinte dann: „Meine Gitarre steht in der Ecke und spielt den Corona-Blues. Irgendwie ist mir grad nach gar nichts. Ich bin dir auch nicht böse, wenn du dich dafür anderweitig umschaust. Und: Konkurrenz belebt ja das Geschäft.“
Hm. Was also tun? Jetzt ist es ja so, dass jeder, der selbst Musik macht innerlich seine Liste von Leuten hat, von denen er sagt: Mal mit der oder dem gemeinsam an einem Song arbeiten… das wär doch mal spannend, was da rauskommt.
Auf dieser Liste stand Jörn bei mir schon ewig. Ich bin Jörn Fan seit 1989. (Wie alt war ich da….? … äh … sagen wir mal: Drei Jahre.🤔) Da lernte ich ihn erstmal auf der Bühne kennen. Die Hamburger Band The Jeremy Days brachte aus London eine Musik nach Deutschland, die man so noch nicht kannte. Zumindest nicht von einer deutschen Band. Ich behaupte immer: Der Britpop wurde von den Jeremy Days nach Deutschland gebracht, bevor es diese Bezeichnung überhaupt gab. Und zwar in Form dieses riesen Hits: Brand New Toy (siehe Video Sektion dieses Beitrages). 1994 schrieb und spielte er schließlich eines meiner Alltime Favorite Gitarrenlicks eines meiner Alltime Favorite Jeremy Days Songs: Loved (siehe ebenfalls in der Video Sektion dieses Beitrages).
Nachdem die Band sich 1995 mit den Worten „bis zum nächstenmal“ verabschiedete, sollte zunächst fraglich sein, wie lange es bis zum nächstenmal dauern sollte. Die Jungs gingen nämlich zu meinem Leidwesen getrennte Wege. Sänger und Songwriter Dirk Darmstaedter brachte am laufenden coole Soloplatten heraus und wie vorher bei den Jeremy Days wohnte ich jedem seiner München Gigs bei, was schließlich irgendwann dazu führte, dass wir uns a) irgendwann mal kannten, ich ihn b) zu einem Wohnzimmerkonzert im kleinen Kreis in ein kleines Theater im Münchner Norden einlud und wir da c) tatsächlich gemeinsam mehr oder minder ungeprobt eine düstere Version von Loved spielten, von der wir nicht mal wussten, wie sie enden würde. 2011 war das … haha!
Aber ich schweife ab…
Jörn hingegen ging arbeiten. Im Studio. Nicht nur für a-ha. Als Gitarrist und Produzent betrieb er in Hamburg die Hafenklang Studios, wechselte das Genre und produzierte und gitarrierte tatsächlich zu meiner Überraschung für alles, was nicht bei drei auf dem Schlagerbaum war. Damit verschwand er ein wenig aus dem Blickfeld der ersten Reihe. Garantiert hat aber jeder von euch sein Wirken irgendwo schon gehört: Sei es bei Voxxclubs Rock mi. Produktionen von Ina Müller bis Yvonne Catterfeld. Von den Kellys im einzelnen und gesamten über Carpendale bis zu Annet Louisan. Auch BroSis und Santiano gingen durch seine Finger. Für die Mitwirkung bei deren MTV Unplugged gewann er sogar Platin und … Achtung … auch als Livegitarrist von Helene Fischer verdiente er seine Brötchen.
Nunja, da stand ich also für Lost At Sea ohne Harry und dachte: Das wäre die ideale Gelegenheit zu sehen, ob ich Jörn gewinnen könnte mitzumachen.
Also rief ich Dirk an und der meinte: „Ja klar. Der macht das bestimmt. Ich geb dir mal seine Nummer.“
Also trug es sich zu, dass ich mich am Telefon mit Jörn wieder fand und wir darüber philosophierten, was ich mir für Lost At Sea für ein Feeling vorgestellt hätte. Jörn ist ein wahnsinnig netter, bodenständiger Zeitgenosse, mit dem man stundenlang … vermutlich tagelang … übers Musikmachen und Songs diskutieren kann. Und er ist ein virtuoses und einfallsreiches Genie an der Gitarre. „Ich würde sagen, ich setzt mich dann mal dran und mach mal nen Vorschlag. Und dann reden wir mal drüber, ob das in die richtige Richtung geht, oder ob du sagst, das ist voll der Holzweg.“ waren die letzten Worte unseres ersten Telefonats zwischen München und Hamburg. Was dann folgte, war einfach ein Traum. Es begann mit dieser sehnsüchtigen Kontermelodie in die Gesangspausen, für die man vermutlich die Schiffe und das Meer direkt vor der Nase haben muss, um auf sowas zu kommen. Man macht die Augen zu und sieht ein verlassenes Boot auf dem Wasser treiben. Und da war sie auch schon: Die Grundidee für das zugehörige Video.
Es folgten diverse weitere Telefonate, Arrangement-Ideen wurden ausgetauscht „ja… das kann man auch noch versuchen“, wir entdeckten unsere gemeinsame Liebe zu Nile Rodgers, dem Erfinder des Disco-Funk und begnadetstem funky Gitarristen des Planeten und am Ende war genug Material da, um jeder Mixvariante die Anzahl Gitarrenspuren zu geben, die nötig sind. Zählt selber nach. Jede Zahl unter acht ist falsch. Haha. Obwohl der Otto-Normalhörer vermutlich maximal drei wahrnimmt: Nimmt man eine raus, ist’s nicht mehr das gleiche. Immer wieder überraschend.
Das Ergebnis reißt mich immer wieder mit. Danke für deine Kreativität, lieber Jörn!
Irgendwann nach unseren Aufnahmesessions ist auch eine Jörn-Website live gegangen. (Vielleicht gab’s auch schon früher eine. Aber nicht, als ich gesucht hatte.) Und ich musste sehr über das Statement des Dokumentarfilmers und Filmproduzenten Roman Kramer lachen: „Wenn ich nicht weiß, was da hin muss: Jörn weiß es. Jörn macht es!“ Ich könnt’s nicht besser sagen.
Und … Ende gut, alles gut: „bis zum nächstenmal“ war dann 2019. Seitdem gibt es auch die Jeremy Days wieder. Seit 2022 soger mit neuer Platte Beauty in Broken. Schaut in die Video Sektion. Kauft die Platte und wenn ihr klassische Gitarre mögt: Am 19.8.22 gibt’s Jörns erste Soloplatte TUBILAH – UPSIDE DOWN mit wunderschönen sologitarristischen Instrumentalstücken!